Obwohl ich mich sehr auf das Projekt „Balu und du“ gefreut hatte, war der Anfang für mich doch wahnsinnig schwer. Ich hatte mich für ein Mädchen beworben, denn ich dachte, das würde mir leichter fallen. Wenn schlechtes Wetter ist, kann man ja zur Not Puppen spielen, hatte ich mir vorgestellt. Als dann die Frage kam, ob ich auch einen Jungen als Mogli übernehmen würde, war ich erst sehr überrascht. Ich konnte mir nicht vorstellen, was ich mit einem Jungen unternehmen kann.

Der Umgang mit den Eltern des Moglis gestaltete sich zunächst auch etwas schwierig. Das erste Telefongespräch mit dem Vater war dann auch sehr ernüchternd. Er war wahnsinnig genervt und wollte mit dem Ganzen überhaupt nichts zu tun haben. Ich sollte aber dennoch vorbeikommen, damit er mich kennenlernen konnte.
Dieses Treffen war sehr kurz, da seine Frau nicht da war und er immer noch keine Lust auf das Projekt hatte. Doch so unfreundlich er auch erschien, das Treffen mit meinem Mogli in der Schule hatte meinen Ehrgeiz geweckt und ich wollte ihn unbedingt wiedersehen.


Es hat mich viel Ausdauer gekostet und irgendwann hat auch die Mutter des Moglis ihre Angst überwunden mir ihren Sohn anzuvertrauen und wir konnten uns regelmäßig treffen.
Obwohl ich mich früher schon in der Hausaufgabenbetreuung der Arche unserer Kirchengemeinde mit jüngeren Kindern beschäftigt hatte, war die Erfahrung als Balu doch eine komplett andere.
Ich musste lernen Verantwortung für einen kleinen Menschen zu übernehmen. In der Arche haben andere Leute entschieden, was gemacht wird und wie der Nachmittag verlaufen sollte, jetzt musste ich das plötzlich allein machen.

Ich bin immer sehr zurückhaltend gewesen und habe nie gern mit fremden Menschen gesprochen, doch dieser Angewohnheit musste ich mich während des Projekts stellen. Ich musste mit fremden Menschen sprechen, wenn ich besondere Dinge mit meinem Mogli machen wollte und dabei habe ich auch festgestellt, wie positiv die Menschen auf das Projekt reagieren.

Um an günstigere Eintrittskarten zu kommen, habe ich viel telefoniert und das Projekt erklärt. Dabei habe ich super viel Interesse erfahren und immer die Möglichkeit für einen günstigeren Eintritt, einen Gutschein oder auch nur eine Info zu den besten Zeiten und Preisen bekommen. Die Leute mit denen ich gesprochen habe, waren alle wahnsinnig nett und total hilfsbereit, wenn sie gehört haben, worum es geht, auch wenn trauriger Weise nicht eine einzige Person das Projekt kannte.
Durch den Projektkurs „Balu und du“ habe ich Menschen in einem anderen Familienkonzept kennengelernt. Ich bin ein Einzelkind und mein Mogli hat sehr viele Geschwister. Das war etwas, was ich mir nie vorstellen konnte. Ich musste nie auf jemanden Rücksicht nehmen oder zurückstecken und dass mein Mogli z.B. im Kino Popcorn für seine Schwester aufgehoben hat, hat mich unheimlich beeindruckt.
Ich konnte gerade in den letzten Monaten eine Veränderung bei meinem Mogli im Umgang mit mir feststellen. Er war immer sehr lieb, doch in letzter Zeit ist er auch mal „verrückt“. Er erzählt ganz schauerliche Geschichten und freut sich, wenn ich überrascht darüber bin. Er macht Späße und nimmt mich jetzt sogar ohne Scheu an die Hand. Das ist echt toll zu erleben. Er war so zurückhaltend am Anfang und nun zeigt er ganz offen, wie viel Spaß er hat und dass er mich gern hat.

Ich genieße die Treffen mit meinem Mogli inzwischen total. Selbst wenn ich mal gestresst und nicht so gut gelaunt bin, schafft es mein Mogli immer meine Laune zu verbessern. Das Verhältnis zu seiner Mutter ist mittlerweile super, sein Vater findet mich, glaube ich, immer noch ein bisschen nervig. Ich hoffe wirklich, dass wir uns auch nach dem Ende des Projektkurses weiter treffen können.
Schlussendlich muss ich sagen, dass mich das Projekt „Balu und du“ vieles gelehrt hat. Ich bin dankbar für das was ich habe und dass ich nicht mit vielen Geschwistern teilen musste, vor allem nicht meine Eltern. Ich bin meiner Familie dankbar für alles, was sie für mich tut und wie sehr sie mich auch bei der Durchführung des Projektes „Balu und du“ unterstützt hat, denn ohne die Hilfe meiner Eltern wären manche Ausflüge unmöglich gewesen, da die Eltern meines Moglis Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erlaubt haben.
Ich bin dankbar für die Menschen, die ich kennenlernen durfte und freue mich über die Eindrücke die „Balu und du“ hinterlassen hat.
Eine Freundin aus Berlin hat zum Beispiel ihren Lehrern von „Balu und du“ erzählt und die Schule möchte das Projekt auch gerne anbieten, weil alle so begeistert davon waren.
Ich werde auch in Zukunft viel und gerne von meinen Erfahrungen berichten, denn ich finde, ein Projekt wie „Balu und du“ muss noch viel bekannter werden und die Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, sich daran zu beteiligen.
Nicht nur Zweitklässler sollten die Chance auf einen Balu bekommen, sondern auch Jugendliche und Erwachsene sollten die Möglichkeit auf einen Mogli bekommen, der ihr Leben verändert, so wie mein Mogli mein Leben verändert hat.

(Januar 2020, Nadja Cabbarov)