„Wir dürfen nicht einfach vergessen, dürfen auch nicht Dinge vergessen, die die Menschen gerne vergessen möchten, weil das so angenehm ist. Wir dürfen nicht vergessen die Nürnberger Gesetze, den Judenstern, die Synagogenbrände, den Abtransport von jüdischen Menschen in die Fremde, in das Unglück, in den Tod. Das sind Tatbestände, die wir nicht vergessen sollten, die wir nicht vergessen dürfen, weil wir es uns nicht bequem machen dürfen.“  

Bundespräsident Theodor Heuss, Wiesbadener Rede, Dezember 1949 

„Wir dürfen nicht einfach vergessen“ – Erinnern und Gedenken am THG 

„Wir dürfen nicht einfach vergessen“ – so mahnte der Namensgeber unserer Schule und erste Bundespräsident dieses Landes Theodor Heuss bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt. Und diese Mahnung versteht die Schulgemeinde des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Recklinghausen alAuftrag, umGesellschaft in Gegenwart und Zukunft gegen das Vergessen mitzugestalten. 

Bereits im Jahr 2009 wurde die Schule mit dem „Dr. Selig Auerbach“-Preis für ihr Engagement im Bereich der Erinnerungsarbeit geehrt. Ein Blick in die jüngste Schulgeschichte zeigt, dass dieses Engagement unablässig fortgeführt wird – und weiterhin sowohl auf der evidenten Problematisierung im Unterrichtsgeschehen als auch auf außerunterrichtlichen Angeboten fußt. 

So entwickelten Schülerinnen und Schüler beispielsweise aus dem Unterrichtsgeschehen heraus einen interreligiösen Kalender für das Schuljahr 2017/18, um die multireligiös geprägte Schulgemeinde anlässlich internationaler fundamentalistischer Konflikteund antisemitischer Übergriffe zu einem Dialog zu motivieren. Zu einem Austausch regten auch die Gedenkveranstaltungen 2018 und 2020 an, die Schülerinnen und Schüler u.a. mit Lesungen, Vorträgen und Projekt-Ausstellungen einerseits zum Thema „9. November – Schicksalstag der Deutschen“ (2018) und „Leben in der DDR – wunderbare Jahre?!“ (2020) organsierten. Aus dem Bewusstsein heraus, Gymnasium im Stadtteil zu sein, halfen Schülergruppen ebenfalls aus dem Unterricht heraus durch Spendenaktionen bei der Finanzierung der Stolpersteine für die Familie Menschenfreund, die sodann im Dezember 2016 an der Bochumer Straße 137 verlegt werden konnten.

Das Unterrichtsgeschehen ergänzen Kooperationen mit außerschulischen Lernpartnern und -ortendurch welche die Schülerinnen und Schüler sich mit ihrem Geschichtsbewusstsein auseinandersetzen und geschichtskulturelle Thematiken reflektieren lernen. Dazu gehören beispielsweise die Dortmunder Steinwache, die Recklinghäuser Synagoge oder das Institut für Kino und Filmkultur, das unserer Schulgemeinde Seminare zur NS-Filmpropaganda ermöglicht. Zu den außerunterrichtlichen Angeboten zählen auch die Schüleraustausche und Exkursionen, die Schülergruppen 2018 u.a. zur Gedenkstätte Auschwitz oder 2019 z.B. nach Israel-Palästina und Berlin sowie 2020 nach Winterswijk führten. Auch Stadtrundgänge innerhalb Recklinghausens – wie Anfang 2020 mit dem Referenten Georg Möllers – runden die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und ihrem Erbe ab. 

Geschichte begegnen und sich daraus gegen das Vergessen einsetzen – aus diesem Credo heraus engagieren sich Schülerinnen und Schüler seit dem Jahr 2019 auch in der sogenannten Theo-AG. Das „Theo“ bezieht sich dabei auf Theodor Heuss; das Engagement umfasst sowohl die Schul- und Stadtteilgeschichte als auch die deutsche Geschichte im Allgemeinen. Immer im Blick aber: die Gestaltung des Erinnerns. So gedachten die AG-Mitglieder z.B. zum 8. Mai 2020 während des Corona-Lockdowns digital an das Kriegsende vor 75 Jahren oder im Juni 2020 anlässlich der Stolpersteinverlegung für die Familie Markus an der Bochumer Straße 111 jener Familie und allen jüdischen Recklinghäuser Opfern. 

Gedenken und Erinnern bedeutet am Theodor-Heuss-Gymnasium auch, generationsübergreifend ins Gespräch zu kommen. Dies wird besonders, wenn wie zuletzt mit Ruth Weiss (2019; 2020) oder Manfred de Vries (2020) Zeitzeugen zu Gast sind. Diese Begegnungen prägen, treiben voran und halten das Erinnern und Gedenken am Theodor-Heuss-Gymnasium in Recklinghausen wach, „weil wir es uns nicht bequem machen dürfen“!