Von Janka Hardenacke, RZ, 03.07.2023

RECKLINGHAUSEN. Das Abitur ist für alle eine Herausforderung - für diesen jungen Mann einmal mehr. Und kaum hat er diese mit Bravour gemeistert, steht ein neues Abenteuer ins Haus.

Kusai Almousa hat es geschafft. Und wie. Der junge Mann hat kürzlich am Recklinghäuser Theodor-Heuss-Gymnasium sein Abitur bestanden, mit einem Notendurchschnitt von 1,3. Darauf kann er zurecht stolz sein. Nicht nur, weil das ohnehin schon eine tolle Leistung ist, sondern auch, weil Kusais Startbedingungen für seine akademische Laufbahn wahrscheinlich erschwerter waren, als für viele seiner Mitschülerinnen und Mitschüler.

Der 19-Jährige wurde nämlich nicht in Recklinghausen, gar in Deutschland geboren. Er floh 2016 vor dem Krieg aus Aleppo in Syrien. Mit seiner Familie - seinen Eltern und drei jüngeren Brüdern - ging es erst nach Westerstede in Niedersachsen, später dann in die Festspielstadt.

„Als ich nach Deutschland gekommen bin, da war ich zwölf Jahre alt, bin ich zuerst in die Grundschule gekommen.“ Deutsch sprach er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, stattdessen Arabisch und Englisch. Gemeinsam mit seinen Geschwistern und zwei anderen syrischen Schülern gab es jeden Nachmittag zwei Stunden lang Sprachunterricht. „Das war super und hat sehr geholfen. Der Lehrerin bin ich bis heute dankbar“, sagt der Abiturient und lächelt. 

Die fünfte Klasse habe er dann direkt übersprungen, 2019 folgte der Umzug nach Recklinghausen und der Wechsel aufs Theodor-Heuss-Gymnasium.

Lernen sei ihm nie schwergefallen, sagt Kusai Almousa rückblickend: „Ich war immer ein guter Schüler.“ Seine Mutter ist Lehrerin, „gute Noten und Leistung abliefern ist in unserer Familie wichtig.“

Auf die Frage, ob ihm Lernen Spaß mache, muss Kusai schmunzeln. „Naja, wer hat schon Spaß am Lernen? Ich wusste einfach immer, wofür ich es mache!“ Schon von klein auf habe er gewusst, dass er später einmal als Arzt arbeiten wolle. Und dieser Wunsch ist geblieben.

Doch trotz der sehr guten Noten: Für den Studienplatz, den er am liebsten irgendwo im Ruhrgebiet antreten würde, reicht es aktuell noch nicht. „Ich mache jetzt erstmal ein Freiwilliges Soziales Jahr und hoffe, dass es dann im nächsten Jahr in Kombination mit dem Eignungstest klappt.“

Dass sich der junge Mann aus Recklinghausen für Naturwissenschaften interessiert, lässt sich auch an der Wahl seiner Abiturfächer erkennen. Biologie und Sozialwissenschaften waren die Leistungskurse, Mathe das dritte, Deutsch das mündliche Fach. Insbesondere Bio sei schwierig gewesen. „Dafür habe ich so viel gelernt, wie für die anderen drei Kurse zusammen!“, sagt er.

Dass ihm der Unterricht manches Mal schwerer gefallen ist als seinen deutschen Mitschülern, davon ist der gebürtige Syrer überzeugt. Schließlich sei Deutsch nicht seine Muttersprache. So habe er im Unterricht hin und wieder Fachbegriffe nachschlagen müssen. 

“Aber meine Lehrerinnen und Lehrer waren da total verständnisvoll und haben mir immer alles erklärt.“ In den Prüfungen sei die Sprache dann kein Problem mehr gewesen. Auch, wenn insbesondere die letzten 40 Tage vor dem Abi stressig waren: Sein Leben habe nie nur aus Lernen bestanden. „Fußball habe ich zwar in der Oberstufe aufgegeben, aber ich gehe viermal in der Woche ins Fitnessstudio.“

Ab Anfang Juli steht nun eine neue Herausforderung in seinem Leben an: sein FSJ im Knappschaftskrankenhaus. Einerseits sei das für ihn eine tolle Möglichkeit, einen Einblick in medizinische Berufe zu erhalten. Doch liegt Kusai Almousa noch etwas anderes am Herzen — er möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.

„Viele haben ein schlechtes Bild von den Menschen, die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind“, so Kusai mit Bedauern in der Stimme. „Aber viele haben Ziele, wollen in Deutschland wirklich etwas erreichen.“ Und der 19-Jährige betont: „Ich lebe gerne in Recklinghausen, habe viele Freunde. Ich bin wirklich froh, dass ich hier bin — ich möchte nicht mehr weg!“